Der grundlegende Wandel der (west-)deutschen Diakonie der 1960er und 1970er Jahre, der vor dem Hintergrund eines sich entaltenden Sozialstaats geschah, hatte in den ausgehenden 1950er Jahren bis 1968 eine Präformationsphase. Hier bahnte sich der Wandel unterschwellig an, ohne sich vorerst im Alltag diakonischer Einrichtungen sichtbar niederzuschlagen. Der Zeitraum von 1969 bis in die 1980er Jahre hinein bildete dann eine Transformationsphase, wobei sich das Reformtempo zusehends beschleunigte. In den späten 1970er Jahren war ein Point of no Return überschritten. An eine Umkehrung des Veränderungsprozesses war nicht mehr zu denken.
Die Tagung geht dem Reformprozess in der Diakonie vom Ende der 1950er Jahre bis zum Beginn der 1980er Jahre nach. Fünf Entwicklungsrichtlinien kennzeichnen diese Phase:
1. Die Diakonie wurde fest in den bundesdeutschen Sozialstaat eingebunden. Finanzielle Spielräume eröffneten sich, es entstanden aber auch neue Abhängigkeiten von sozialstaatlichen Strukturen.
2. Das Profil der Mitarbeiterschaft wandelte sich von Grund auf. In Zeiten der Vollbeschäftigung wurde Arbeitskraft ein knappes Gut. Die Zahl der Diakonissen und Diakone ging zurück, die der freien Kräfte, die nicht mehr religiös gebunden waren, stieg an – eine neue Herausforderung für diakonische Träger.
3. Es etablierte sich ein säkularer Professionalisierungs- und Akademisierungsprozess. Die Aus-, Fort- und Weiterbildung bekam zentrale Bedeutung. Neue Berufsgruppen mit ihren eigenen Theorien, Methoden und Konzepten beeinflussten die Praxis diakonischer Arbeit.
4. Die Formen diakonischen Handelns wandelten sich. Statt der dauerhaften Beheimatung kam der Prozess der De-Institutionalisierung in Gang.
5. Das alte Modell der diakonischen Anstalt wurde durch das neuartige Modell des diakonischen Unternehmens abgelöst. Damit stellte (und stellt) sich auch die Frage nach dem Verhältnis von Kirche und Diakonie neu.
Programm
Donnerstag, 7. November 2024
10:30 Uhr Stehkaffee
11:00 Uhr Eröffnung und Begrüßung
11.15 Uhr Einführung
Umbrüche und Aufbrüche. Die Diakonie vor neuen Herausforderungen, 1960-1980
Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl, Bielefeld
12:15 Uhr Mittagsimbiss
13:00 Uhr Von der Anstalt zum Werk, von der Diakonisse zur Mitarbeiterin
Veränderungen in den westfälischen Mutterhäusern in den 1960er und 1970er Jahren
Prof. Dr. Norbert Friedrich, Düsseldorf-Kaiserswerth
14:00 Uhr Die Modernisierung der Schmelzhütte
Sareptas Frömmigkeit im Wandel des 20. Jahrhunderts
Prof. Dr. Ute Gause, Bochum
15:00 Uhr Kaffeepause
15:30 Uhr Reform protestantischer Pflege im Spannungsfeld von Professionalisierung und Deprofessionalisierung ab den 1960er Jahren
Prof. Dr. Susanne Kreutzer, Münster
16:30 Uhr Diskussionsrunde mit Keynotes
Wo hilft uns historisches Verständnis für unser gegenwärtiges Handeln?
Prof. Dr. Sylvia Losansky, Bochum
Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl, Bielefeld
17:30 Uhr Pause
19:00 Uhr Einladung zum Abendessen im
Mercure Hotel Bochum City
Massenbergstr. 19-21, 44787 Bochum
Freitag, 8. November 2024
8:45 Uhr Andacht
Prof. Dr. Christian Peters
9:00 Uhr Die Durchsetzung des Unternehmens-Paradigmas in der bundesdeutschen Diakonie um 1985
Prof. emer. Dr. Matthias Benad, Bielefeld
9:45 Uhr Diakonie und Kirche.
Historisch-typologische Schlaglichter auf einen Dauerkonflikt
PD. Dr. Hanns-Stephan Haas, Hannover
10:30 Uhr Kaffeepause
11:00 Uhr Talkrunde mit Keynotes der Teilnehmenden
Was bleibt kirchlich an der Diakonie?
Prof. Dr. Hanns-Stephan Haas, Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover
Pfarrer Prof. Dr. Dierk Starnitzke, Theol. Vorstand
Diakonische Stiftung Wittekindshof
Pfarrer Sven Waske, Theol. Vorstand Diakonie Münster
Dr. Silke Köser, contec GmbH, Unternehmens- und Personalberatung der Gesundheits- und Sozialwirtschaft
Prof. Dr. Ute Gause, Ruhr-Universität Bochum
Moderation: Jens-Martin Gorny, Unternehmenskommunikation Diakonie Ruhr
12:30 Uhr Abschlussdebatte und Schlusswort
Kommission für kirchliche Zeitgeschichte der Evangelischen Kirche von Westfalen Geschäftsstelle c/o Landeskirchliches Archiv Bethelplatz 2, 33617 Bielefeld Telefon: 0521 594-164,
E-Mail: archiv@ekvw.de
Quelle: H-Soz-Kult, 18.06.2024, <www.hsozkult.de/event/id/event-144828>.