Mit dem bischöflichen Alltag im Haushalt, seiner Organisation und den Arbeitsabläufen beschäftige sich HERMANN-JOSEF SCHMALOR (Paderborn). In Ermangelung anderen Quellen griff Schmalor auf die „Erinnerungen“ der Geheimsekretäre zurück, welche nicht immer nüchtern und sachlich, sondern auch verklärend panegyrisch angelegt sind. Bei Jaeger stand die Erfüllung seiner Pflichten als Erzbischof ganz oben in der Prioritätenliste. Alles, was darüber hinausging, war zweitrangig. Dieses Bedürfnis zur unbedingten Pflichterfüllung brachte einen besonders großen Arbeitseifer mit sich, der andere Aktivitäten, insbesondere im häuslichen geselligen Bereich kaum zuließ. Die typischen, sogenannten „preußischen Tugenden“, die Jaeger sicher schon in seinem vorherigen Leben eingeübt und verinnerlicht hatte, machen sich auch in seiner Stellung als Erzbischof in seinem häuslichen Umfeld durchaus bemerkbar. Insbesondere sind hier Pünktlichkeit und Sparsamkeit zu nennen.
Mit dem Alltag des Bischofs anhand seiner handschriftlichen Terminkalender beschäftigte sich GISELA FLECKENSTEIN (Speyer). Die Kalender, die bis auf eine Ausnahme von 1936, erst 1950 einsetzen und bis in das Jahr seines Todes 1975 reichen, geben einen Einblick in den Tagesablauf des Paderborner Oberhirten, der bis zu seiner Emeritierung bzw. bis zur Ernennung seines Nachfolgers, ein umfangreiches Arbeitspensum absolvierte. Für viele Jahre gibt es jeweils drei Kalender. Kein Kalender, ob von Jaeger selbst, seinem Büro oder seinem Geheimsekretär geführt, enthält alle Termine und Erinnerungen. Der Alltag Jaegers war von seinen priesterlichen und bischöflichen Verpflichtungen geprägt. Viel Zeit nahmen die jährlichen Firmreisen und Visitationen in Anspruch. Der zweitgrößte Zeitanteil galt den Teilnahmen an bischöflichen Konferenzen und Tagungen sowie den liturgischen Verpflichtungen. Hinzu kamen viele persönliche und telefonische Besprechungstermine mit Priestern, Ordensleuten und der Bistumsverwaltung. Im Zusammenspiel der Terminkalender mit anderen Quellen wird mehr als deutlich, dass Lorenz Jaeger kaum ein Privatleben hatte. Die wenigen privaten Momente beschränken sich auf den Besuch von Familienangehörigen und auf die jährliche Urlaubszeit. Darüber hinaus war Jaeger quasi immer als Bischof im Dienst.
Mit dem Liborifest, dem wohl wichtigsten Fest der Paderborner Kirche, beschäftige sich WILHELM GRABE (Paderborn). In der Nachkriegszeit wurde der heilige Liborius als Schöpfer des christlichen Abendlandes präsentiert. Jaeger nutzte das Fest als Mittel der Kontaktpflege und Selbstdarstellung. Anknüpfend an die sich in den 1930er-Jahren intensivierenden Kontakte nach Le Mans trieb Jaeger nach Kriegsende als Takt- und Impulsgeber die Annäherung zwischen den beiden Bistümern voran. Das weltliche Liborifest wurde nach Kriegsende konzeptionell erweitert: Neben Markt und Kirmes trat ergänzend ein Kulturprogramm. Eine wichtige Zielgruppe war die Landbevölkerung, für die ab 1951 ein „Tag des Landvolks“ eingerichtet wurde, ein Veranstaltungsformat, das Jaeger als Bühne zu nutzen wusste. In den 1960er-Jahren begann das weltliche Liborifest sich vom kirchlichen zu emanzipieren. Neue Veranstaltungsformate lockten Hunderttausende in die Paderstadt. Durch die großen Publikumserfolge wurde die bis dahin unangefochtene Vorrangstellung des kirchlichen Libori massiv in Frage gestellt und stürzte die Paderborner Kirche in eine Identitätskrise. Als Antwort wurde das ursprünglich auf das Triduum beschränkte Kirchenfest auf Initiative Jaegers auf die ganze Festwoche ausgedehnt.
Den Freitagnachmittag beschloss ein Gespräch, das NICOLE PRIESCHING (Paderborn) mit dem Zeitzeugen P. Elmar Salmann OSB (Gerleve) führte. Das Thema war „Biographische Erinnerung und Geschichtsschreibung: Wie sie einander überschreiben und verfremden“. Salmann war am 8. Dezember 1972 im Paderborner Dom von Lorenz Jaeger zum Priester geweiht worden. Als er Anfang 1973 in die Benediktinerabtei Gerleve eintreten wollte, musste er zuvor mit seinem Erzbischof ringen, denn dieser wollte keinen Priester verlieren. Das Gespräch drehte sich aber nicht nur um Erinnerungen, sondern reflektierte auch darüber, wie die Geschichtsschreibung des Jaeger-Projektes die Erinnerung verändert hat. Der Zeitzeuge historisierte sich selbst, indem er seine Erinnerung mit heutigem Wissen und Bewertungen in Dialog brachte. Gefragt wurde nach den Themenfeldern „Umgang mit der NS-Zeit“ und „Demokratisierung in der Kirche“ damals und heute sowie nach „Jaeger als Person“.