Die Vorsitzende der Kommission für kirchliche Zeitgeschichte im Erzbistum Paderborn und Mitherausgeberin des 2. Bandes, Prof. Dr. Nicole Priesching (Paderborn), hob bei der Vorstellung in der Akademie Schwerte vier Ergebnisse besonders hervor:
- Die Vielschichtigkeit der ökumenischen Bewegung: Auch auf katholischer Seite existierten hier unterschiedliche Zielvorstellungen. So bestand beim Amtsantritt Jaegers als Erzbischof von Paderborn 1941 bereits die von Max Josef Metzger gegründete Una-Sancta-Bewegung. Im Gegensatz dazu standen Gruppierungen, die eine sog. „Wiedervereinigung im Glauben“ stärker als Rückkehr der Protestanten zur einzig wahren katholischen Kirche verstanden. Jaeger selbst ging mit der Förderung des Winfriedbundes einen Mittelweg zwischen der liberalen Seite um Matthias Laros und der spiritualistisch-aggressiven Gruppe der „Una Fides“. Insgesamt zeigt sich bei ihm eine konservative Zielsetzung, die einen großen Wert auf das theologische Fachgespräch legte, während praktische Experimente mit dem Hinweis auf eine mögliche Verwirrung der Laien eher abgelehnt wurden. Insofern bestand die Förderung der Ökumene bei Jaeger gleichzeitig auch in deren Einhegung. Mittlerweile ist auch das Buch von Lucia Scherzberg, „Zwischen Partei und Kirche“, erschienen, in dem sie einen nationalsozialistischen katholischen Priesterkreis aufgearbeitet hat, der unter anderem ein Zusammengehen der Konfessionen unter „völkisch-nationalen Vorgaben“ betrieb. Diese „braune Ökumene“ suchte über den Priester Richard Kleine Kontakt zu Jaeger, die Paderborner Professoren Mayer und Herte standen diesem Kreis ebenfalls nahe. In unserem Kontext ist der Befund von Bedeutung, dass Jaeger zwar den Kontakt zu Kleine pflegte (letztlich landete dessen Nachlass sogar im Möhler-Institut), dessen Anliegen aber auch unmissverständlich zurückwies. Insofern kann der Briefwechsel zwischen Jaeger und Kleine auch so gelesen werden, dass bei gemeinsamer patriotisch-nationaler Gesinnung von Jaeger ganz klare Grenzen zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus gezogen wurden. Die Priestergruppe um Kleine zeigt freilich auch, dass es durchaus gut vernetzte nationalsozialistische Priester gab, die diese Grenzen keineswegs akzeptierten. Scherzberg kann zeigen, wie diese Leute mit ihren wichtigtuerischen „Vermittlungsversuchen“ zwischen Partei und Kirche gerieten, von beiden Seiten regelmäßig enttäuscht aber auch immer wieder gehalten wurden.
- Der Wandel im Ökumene-Verständnis: Dieses hängt auch mit einer Veränderung des Begriffs und mit den lehramtlichen Rahmenbedingungen zusammen. Der Begriff „Ökumene“ war mit der Enzyklika Mortalium Animos (1928) anrüchig geworden. Man sprach katholischerseits von „Wiedervereinigung“ und meinte in erster Linie dabei die „Rückkehr“ der Protestanten. Dies schloss für Jaeger durchaus eine gemeinsame Suchbewegung der Christen mit ein. Er stand also für eine werbende Variante. Mit dem Ökumenismusdekret des II. Vaticanums kam nochmals ein neues Verständnis von Ökumene zum Tragen, was auch den Sprachgebrauch veränderte. Ab da sprach Jaeger von „Ökumenismus“ und „gemeinsamer Suche“ und wies den Begriff der „Rückkehr“ explizit zurück. Durch das II. Vaticanum bekam die ökumenische Suchbewegung einen enormen Schub, wobei Jaeger viele Entwicklungen bald zu weit gingen. Vieles, was Jaeger nach dem Konzil als protestantisierend verwarf, hat mittlerweile Eingang in die ökumenischen Gespräche gefunden. So wurde Jaeger Ende der 60er Jahre zunehmend überholt, was seiner Würdigung als Ökumenepionier umso mehr Gewicht verlieh.
- Die Hintermänner: Jaeger war in seinem ökumenischen Engagement nie allein gewesen. Er agierte in Netzwerken und hatte zahlreiche Mitarbeiter. Die treibende Kraft zu Beginn war der Dompropst Paul Simon. Bedeutsam wurden auch Josef Höfer und Eduard Stakemeier, um nur die wichtigsten Namen zu nennen.
- Die Motivation: Es ist immer wieder betont worden, dass die Ökumene ein „Herzensanliegen“ für Jaeger gewesen sei. Gern wird darauf hingewiesen, dass er aus einem gemischt konfessionellen Elternhaus stammte und daraus eine persönliche Motivation abgeleitet. Dafür fehlen aber jegliche Belege. Falls es irgendwelche persönlich-biographischen Motive gegeben hat, so werden diese von Jaeger selbst nie als Grund für sein Engagement angeführt. Demgegenüber haben wir herausgearbeitet, welche große Rolle seine Mitarbeiter gespielt haben und wie gut sich Jaeger als Netzwerker mit diesem anfangs heiklen und unbeliebten Thema profilieren konnte. Schließlich wurde gezeigt, dass seine Motivation für die Ökumene durchaus auch Schwankungen aufwies. So klagte er 1957 bei Höfer, dass er die weitere Arbeit des Theologenkreises nicht mehr für fruchtbar halte.
„Diese vier Punkte zeigen“, so Priesching, „dass wir wertvolle Differenzierungen in das Bild von Jaeger als Ökumeniker eintragen konnten. Man darf also hoffen, dass dieser Band die Forschung zur Geschichte der Ökumene insgesamt voranbringt.“